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Donnerstag, 26. Juli 2012

BGH zu Entgeltklausel von Branchendiensten

Der Bundesgerichtshof hat heute einen weiteren Fall bezüglich den fast jedem Gewerbetreibenden mittlerweile bekannten "Branchendiensten" im Internet entschieden.

Der Trick ist einfach und immer ähnlich: Diese "Branchendienste" bieten Gewerbetreibenden Einträge in ihre Verzeichnisse an. Auf den ersten Blick erscheint es so, als seien diese Einträge kostenlos. Irgendwo im Antragsformular, meist so versteckt, dass man es auf den ersten Blick überliest, ist dann von versteckten Kosten die Rede.

Die Rechtsprechung des BGH tendiert schon seit langem dazu, solche versteckt enthaltenen Klauseln für unwirksam zu erklären.

Der BGH betont, dass Entgeltklauseln, die nach der Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild des Formulars eingefügt sind, dass sie dort nicht vermutet werden, aufgrund ihres überraschenden Charakters nicht Vertragsbestandteil werden.

Hier die Pressemitteilung des BGH:

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob eine Entgeltklausel in einem Antragsformular für einen Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet nach dem Erscheinungsbild des Formulars überraschenden Charakter hat und deshalb nicht Vertragsbestandteil wird (§ 305cAbs. 1 BGB*).
Die Klägerin unterhält ein Branchenverzeichnis im Internet. Um Eintragungen zu gewinnen, übersendet sie Gewerbetreibenden ein Formular, welches sie als “Eintragungsantrag Gewerbedatenbank…” bezeichnet. In der linken Spalte befinden sich mehrere Zeilen für Unternehmensdaten. Nach einer Unterschriftszeile, deren Beginn mit einem fettgedruckten “X” hervorgehoben ist, heißt es in vergrößerter Schrift: “Rücksendung umgehend erbeten” und (unterstrichen) “zentrales Fax”. Es folgt die fett und vergrößert wiedergegebene Faxnummer der Klägerin.
Die rechte Seite des Formulars besteht aus einer umrahmten Längsspalte mit der Überschrift “Hinweise zum Ersteintragungsantrag, Leistungsbeschreibung sowie Vertragsbedingungen, Vergütungshinweis sowie Hinweis nach § 33 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz)”. In dem sich anschließenden mehrzeiligen Fließtext ist unter anderem folgender Satz enthalten: “…Vertragslaufzeit zwei Jahre, die Kosten betragen 650 Euro netto pro Jahr….”
Der Geschäftsführer der Beklagten füllte das ihm unaufgefordert zugesandte Formular aus und sandte es zurück. Die Klägerin trug die Beklagte in das Verzeichnis ein und stellte dafür 773,50 € brutto in Rechnung. Die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
Der u. a. für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Mit Rücksicht darauf, dass Grundeinträge in ein Branchenverzeichnis im Internet in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden, wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. Im vorliegenden Fall machte bereits die Bezeichnung des Formulars als “Eintragungsantrag Gewerbedatenbank” nicht hinreichend deutlich, dass es sich um ein Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelte. Die Aufmerksamkeit auch des gewerblichen Adressaten wurde durch Hervorhebung im Fettdruck und Formulargestaltung zudem auf die linke Spalte gelenkt. Die in der rechten Längsspalte mitgeteilte Entgeltpflicht war demgegenüber drucktechnisch so angeordnet, dass eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten war. Die Zahlungsklage ist daher zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.



Mittwoch, 25. Juli 2012

Bundesverfassungsgericht erklärt deutsches Wahlrecht für verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat soeben das Wahlrecht zum deutschen Bundestag in der Fassung der Wahlrechtsreform 2011 verworfen.

Es stellte fest, dass das Wahlrecht gegen den Gleichheitsgrundsatz und dei Chancengleichheit der Parteien verstößt.

Aufgestoßen ist dem Bundesverfassungsgericht hierbei insbesondere die Regelung der Überhangmandate.

Grundsätzlich sei das deutsche Wahlrecht als Verhältniswahlrecht aufgebaut. Durch die Regelung der Überhangmandate würde dieser Charakter aber beeinträchtigt, da, wie die Erfahrung zeigte, Überhangmandate in einem Umfang vorkommen würden, der den Charakter als Verhältniswahlrecht auflösen würde.

Die Überhangmandate waren und sind insbesondere der Opposition ein Dorn im Auge. Bei der letzten Bundestagswahl kam es zu 24 Überhangmandaten, die alle an die CDU gingen.

Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei durch Direktwahl ("Erststimme") mehr Mandate in einem Bundesland erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen würden.

Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass eine Anzahl von ca. 15 Überhangsmandaten die Höchstgrenze darstellt.

Nachdem einige Bestimmungen des Wahlrechts mit sofortiger Wirkung für unwirksam erklärt wurden, muss das Wahlrecht noch vor der nächsten Bundestagswahl im kommenden Jahr geändert werden.

Hier das Urteil im Volltext (BVerfG, 2 BvF 3/11 vom 25.7.2012, Absatz-Nr. (1 - 164)): http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/fs20120725_2bvf000311.html

Donnerstag, 19. Juli 2012

"Aktiver Erwerb" nach dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen

Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz enthält eine Erklärung Deutschlands, gestohlene Bankdaten nicht mehr "aktiv zu erwerben".

An sich ist jedem normal denkenden Menschen klar, was "aktiv erwerben" bedeutet: Etwas zu kaufen, eine (geldwerte) Gegenleistung dafür zu erbringen, dass man gestohlene Bankdaten erhält.

Was aber jedem normal denkenden Menschen klar sein müsste, ist für die Bundesregierung und die deutschen Behörden keineswegs klar.

Nach deren Lesart verbietet das Verbot des "aktiven Erwerbs" keinesfalls den Kauf gestohlener Bankdaten. Laut einem Bericht der "Neuen Züricher Zeitung" teilte ein Sprecher des Finanzministeriums auf Anfrage Schweizer Medien mit: "Sollte den deutschen Behördern eine CD zum Erwerb angeboten werden (...), enthält das Abkommen kein Verbot, die Daten entgegenzunehmen. Auch die Zahlung von Geld für diese Daten ist nach dem Abkommen nicht verboten."

Eine sehr eigenartige Lesart, wie ich finde. Was, wenn nicht ein Ankauf, sollte denn mit aktivem Erwerb gemeint sein?

Und Schäuble selbst, so berichtet die NZZ, vertrat auch im September 2011 selbst noch diese Meinung und erklärte, damit stehe klar, dass deutsche Behörden keine Daten mehr ankaufen würden.

Eindeutig scheint diese Kehrtwendung gemacht worden zu sein, um den neuerlichen Ankauf von gestohlenen Bankdaten durch Nordrhein-Westphalen als mit diesem Abkommen konform zu kaschieren.

Nur kann dies nicht gelingen, da, wie gesagt, jeder vernünftig denkende Mensch eine andere Lesart haben muss.

Jedenfalls hat sich Deutschland mit der faktischen Außerkraftsetzung seiner Erklärung einen Bärendienst erwiesen. In der Schweiz droht ein Referendum, in dem das Abkommen durchaus scheitern könnte.

Durch die neuerliche Lesart der abgegebenen Erklärung und dem weiteren munteren Ankauf gestohlener Bankdaten wird das Verständnis der Schweizer Bürger für das Abkommen sicher nicht größer werden.


Mittwoch, 18. Juli 2012

Ermittlungen gegen Schlecker wegen Insolvenzverschleppung

Ein wenig erstaunt war ich schon, als ich eben diese Nachricht gelesen habe: http://www.stern.de/wirtschaft/news/razzien-wegen-insolvenzverschleppung-anton-schlecker-im-visier-der-ermittler-1859928.html

Jetzt bin ich mal gespannt, wie sich das begründen soll, die Insolvenzverschleppung, um mal die Straftatbestände des Bankrotts und der Untreue mangels Kenntnis des vorgeworfenen Sachverhalts außen vor zu lassen.

Aber insolvenzverschleppung?

Wie die meisten wissen, handelte es sich bei der Firma Schlecker um einen eingetragenen Kaufmann und nicht um eine GmbH oder sonstige juristische Person.

Dann müssen wir aber gar nicht lange subsumieren:

Die Insolvenzverschleppung ist strafbar nach § 15 a Insolvenzordnung http://www.gesetze-im-internet.de/inso/__15a.html

Und da lesen wir bereits im ersten Satz, dass sich nach dieser Vorschrift nur Mitglieder des Vertretungsorgans oder Abwickler von juristischen Personen strafbar machen können.

Schlecker war aber nun keine juristische Person, sondern eben eingetragener Kaufmann.

Und jetzt frage ich mich:

Juristische Fehleinschätzung von LKA, Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter?

Missverständnis der Presse?

Oder gibt es doch eine eventuell auch zahlungsunfähige juristische Person, auf die sich die Insolvenzverschleppung beziehen soll?

Bekannt ist - zumindest mir - nichts in dieser Hinsicht. Sein kann es aber trotzdem, nachdem sich ja die Ermittlungen außer gegen Schlecker gegen 13 weitere Personen richten.

Ich bin mal gespannt!

Und es hat sich jetzt aufgelöst.

Es geht bei der Ermittlung wegen Insolvenzverschleppung um die Insolvenz der Schlecker-Tochter "Ihr Platz GmbH".